Berlin:

Strahlenschutz
Erstmals europäischer Standard für die Planung von
Katastrophenschutzmaßnahmen für Atomkraftwerke

Die Leiter der europäischen Strahlenschutz- und
Reaktorsicherheitsbehörden haben erstmals ein europaweites Konzept für
die Bewältigung von schweren kerntechnischen Unfällen vorgelegt. Es geht
auf eine Initiative des Bundes-umweltministeriums zurück und enthält ein
einheitliches Bewertungsschema für den Zustand von Atomanlagen. Außerdem
werden erstmals grenzüberschreitende Empfehlungen für erste Maßnahmen
bei schweren Atomunfällen gegeben. Das Papier wurde heute
veröffentlicht.

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Bundesumweltministerin Barbara Hendricks lobte die Entscheidung als
wichtigen Schritt hin zu einheitlichen Standards. „Radioaktive Strahlung
macht nicht an Grenzen halt. Da es in unseren Nachbarländern mehrere
Atomkraftwerke in der Nähe der deutschen Grenze gibt, dient ein
gemeinsames Vorgehen auch unserem Schutz. Ich begrüße daher, dass es
gelungen ist, ein gemeinsames europäisches Konzept zur Bewältigung von
schweren atomaren Unfällen zu er-arbeiten.“

Das Konzept war in den zurückliegenden Monaten von einer gemeinsamen Task
Force erarbeitet worden. 21 Experten für Reaktorsicherheit, Notfallschutz
und Strahlenschutz aus 14 Ländern leiteten aus den Erfahrungen in
Fukushima ein robustes Bewertungsschema für den Zustand eines havarierten
Atomkraftwerks ab und gaben Empfehlungen für die Planung von Maßnahmen
zum Schutz der Bevölkerung in der Frühphase eines schweren Unfalls. Die
Experten sind Vertreter der Gremien der Leiter der europäischen
Strahlenschutzbehörden (Heads of the European Radiological Protection
Competent Authorities, HERCA) und Reaktorsicherheitsbehörden (Western
European Nuclear Regulator’s Association, WENRA).

In allen europäischen Ländern gibt es seit Jahren effiziente Mechanismen,
um im Notfall adäquat reagieren zu können. Auf Basis einer Vielzahl von
Anlagenparametern kann in Verbindung mit numerischen Wettervorhersagen
präzise prognostiziert werden, welche Maßnahmen an welchem Ort notwendig
sind, um die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren. Wie die dreifache
Katastrophe von Fukushima allerdings gezeigt hat, können widrige
Umstände dazu führen, dass der für diese Form von Vorhersagen und
Bewertungen notwendige Datenaustausch unterbrochen wird. In genau solchen
– extrem unwahrscheinlichen – Situationen soll das nun vorgestellte
Bewertungsschema Anwendung finden. Es ermöglicht eine robuste
Klassifizierung auf Basis einer stark reduzierten Anzahl von Anlagen- und
Wetterparametern, die auch unter ungünstigsten Bedingungen zur Verfügung
stehen.

Das Bewertungsschema ist bewusst auf die wesentlichen Maßnahmen reduziert:
Evakuierung, Aufenthalt in Gebäuden und Jodblockade.

– Bis zu einem Abstand von 5 Kilometern vom Atomkraftwerk sollen die
zuständigen Behörden auf eine Evakuierung vorbereitet sein. Für eine
eventuelle Ausweitung auf bis zu 20 Kilometer soll eine geeignete
Strategie vorliegen.

– Bis zu einer Entfernung von 20 Kilometern sollen die Bewohner darauf
vorbereitet sein, sich in ihren Wohnungen aufzuhalten. Auch eine
Jodblockade ist hier vorgesehen. Für eine eventuelle Ausweitung auf bis
zu 100 Kilometer soll eine geeignete Strategie vorlie-gen.

Diese Planungsradien entsprechen weitgehend denjenigen, die die deutsche
Strahlenschutzkom-mission (SSK) in diesem Jahr empfohlen hat und die
derzeit in Deutschland von den zuständigen Behörden umgesetzt werden.
Der deutsche Ansatz geht für den Bereich der Jodblockade über den jetzt
verabredeten europäischen Standard insofern hinaus, als für Kinder,
Jugendliche und Schwangere im ganzen Bundesgebiet und nicht nur im Umkreis
von 100 Kilometer um Atomkraftwerke herum Vorsorge getroffen werden soll.

In Anbetracht des Sicherheitsniveaus europäischer Atomkraftwerke und der
im Rahmen der Fukushima-Nachlese umgesetzten Verbesserung halten HERCA und
WENRA explizit fest, dass die Wahrscheinlichkeit eines mit Fukushima
vergleichbaren Ereignisses, das tatsächlich Evakuierungen bis zu 20
Kilometer und Aufenthalt in Gebäuden sowie Jodblockade bis zu 100
Kilometer nötig macht, in Europa sehr gering ist.

Quelle:bmub.bund.de

Von redaktion