Berlin:

Zu dem am 24. Juni 2013 vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur
Aufbauhilfe nach Hochwasserschäden erklärt Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger:

paragraf

Die Hochwasserkatastrophe hat ihre Spuren hinterlassen. Die Betroffenen benötigen jede erdenkliche
Hilfe, gerade wenn ihr Unternehmen durch die Folgen der Flut in eine wirtschaftliche Schieflage
geraten ist. Der Gesetzentwurf zur Aufbauhilfe nach Hochwasserschäden sieht eine bis zum 31.
Dezember 2013 befristete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen vor, die infolge
des Hochwassers in eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geraten sind. Damit wird diesen
Unternehmen die Zeit gegeben, Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen zu führen, um die
finanzielle Schieflage zu beseitigen. Die Regelung stellt damit einen wichtigen Beitrag zur
Krisenbewältigung in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten dar.
Unter den derzeitigen Ausnahmebedingungen als Folge der Hochwasserkatastrophe lässt sich nicht
gewährleisten, dass innerhalb der für die Stellung von Insolvenzanträgen an sich vorgesehenen
Höchstfrist von drei Wochen alle Verfahren und Verhandlungen abgeschlossen werden können, die
Voraussetzung für den Bezug von Versicherungs-, Hilfs- oder Spendenleistungen oder für den
Abschluss etwaig erforderlicher Sanierungs- oder Finanzierungsvereinbarungen sind. Ohne gesetzliche
Neuregelung wären die Geschäftsleiter der betroffenen Unternehmen gezwungen, zur Vermeidung einer
strafrechtlichen Verfolgung und einer zivilrechtlichen Haftung auch dann einen
Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen, wenn erfolgversprechende Aussichten auf die Beseitigung der
Insolvenzlage bestehen.
Die Insolvenzantragspflicht soll in den Fällen ausgesetzt werden, in denen Aussichten darauf
bestehen, dass sich die eingetretene Insolvenzlage durch erlangbare Versicherungs-, Entschädigungs-
oder Spendenleistungen oder durch eine Sanierungs- oder Finanzierungsvereinbarung beseitigen lässt.
Erst wenn dies bis zum Jahresende 2013 nicht gelingt, müssen die betroffenen Unternehmen innerhalb
der neu anlaufenden Höchstfrist von drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen. Eine Verlängerung
der Aussetzung der Antragsfrist bis längstens zum 31.3.2014 bleibt möglich, wenn sich herausstellen
sollte, dass eine Vielzahl von Unternehmen zum Jahresende noch mehr Zeit benötigt, um erstrebte
Geldleistungen zu erhalten oder erfolgversprechende Sanierungs- oder Finanzierungsverhandlungen
abzuschließen.
Hintergrund:
Nach § 15a Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) müssen Geschäftsleiter von juristischen Personen und
bestimmten Gesellschaften, bei denen kein Gesellschafter eine natürliche Person ist (Beispiel: GmbH
& Co KG), bei Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich, spätestens jedoch
nach drei Wochen, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Nach § 15 Abs. 4
und 5 InsO ist eine Verletzung dieser Insolvenzantragspflicht strafbar. Sie kann ferner nach § 823
Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbindung mit § 15a Abs. 1 InsO zur Folge haben, dass der
antragspflichtige Geschäftsleiter den Gläubigern zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Hochwasserbedingte Betriebsunterbrechungen sowie Schäden an Anlage- oder Vorratsvermögen können
Unternehmen auch dann in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, wenn deren geschäftliche und
finanzielle Situation zuvor solide war und keine Schwierigkeiten erwarten ließ. Tritt bei dem
Unternehmen deshalb eine insolvenzrechtliche Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ein, trifft den
Geschäftsleiter die strafbewehrte Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO). Kann die
Insolvenz durch Zins- und Tilgungsmoratorien, Schuldennachlass, mögliche Entschädigungsleistungen,
Versicherungsleistungen oder Spenden und andere karitative Hilfeleistungen abgewendet werden, wird
eine Insolvenzantragspflicht in der Regel erst gar nicht entstehen. Allerdings benötigen die
betroffenen Unternehmen in einer solchen Situation in der Regel einige Zeit, um die nötigen
Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen zu führen. In dieser Sondersituation erweist sich die
in § 15a InsO vorgesehene Höchstfrist von drei Wochen zur Stellung eines Insolvenzantrags als
hinderlich. Die Antragspflicht nach § 15a InsO soll daher zur Klarstellung und Erleichterung der
Verhandlungen und Schadensabwicklung in klar umrissenen Fällen temporär ausgesetzt werden.
Es werden aber nicht alle insolvenzrechtlichen Regelungen ausgesetzt, sondern ausschließlich die
Insolvenzantragspflicht. Unberührt bleibt daher das Recht von Schuldnern oder Gläubigern, einen
Insolvenzantrag zu stellen. Da die Einzugstellen für Sozialversicherungsbeiträge und die
Finanzverwaltung auf Antrag bis zum 30. September 2013 von Vollstreckungsmaßnahmen absehen werden
(s. Rundschreiben RS 2013/247 des GKV-Spitzenverbands vom 13.6.2013), dürfte insoweit auch nicht
mit Gläubigeranträgen zu rechnen sein. Allerdings müssen Geschäftsleiter darauf achten, dass sie
während des Bestehens einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung das Verbot von Zahlungen an
einzelne Gläubiger beachten.
Die Insolvenzantragspflicht erfüllt in unserem Rechtssystem wichtige Funktionen. Sie dient dem
Schutz der Vertragspartner und der Integrität des Wirtschaftsverkehrs. Eine überschuldete oder
zahlungsunfähige Gesellschaft, die weiter am Rechtsverkehr teilnimmt, kann die Interessen Dritter
gefährden. Die Aussetzung der Antragspflicht kann deshalb nur unter den außergewöhnlichen Umständen
der Flutkatastrophe für einen Übergangszeitraum gerechtfertigt sein, innerhalb dessen sich die
flutbedingten Störungen durch Finanzierungs- und Sanierungsverhandlungen beheben lassen. Sie ist
deshalb bis zum 31. Dezember 2013 befristet. Danach lebt die Antragspflicht wieder auf. Die
dreiwöchige Höchstfrist des § 15a Absatz 1 Satz 1 InsO beginnt dann wieder von Neuem.
Sollte sich wider Erwarten herausstellen, dass die Schadensschätzungen, die individuellen
Entschuldungskonzepte und Sanierungsverhandlungen oder die Auszahlung der Leistungen sich in vielen
Fällen über den 31. Dezember 2013 hinziehen, so kann die Aussetzung der Antragspflicht durch
Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz verlängert werden. Eine Verlängerung ist
höchstens bis zum 31. März 2014 möglich.

Quelle:bmj.bund.de

Von redaktion