Berlin:
Zu der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen
Vaters erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
Es ist gesellschaftliche Realität, dass die Lebensmodelle und familiären Strukturen heutzutage
bunter und vielfältiger sind, als dies noch vor 30 Jahren der Fall war. Realität ist auch, dass
Kinder in bestehende Ehen hineingeboren werden, deren leiblicher Vater nicht der Ehemann ist. Der
Gesetzgeber von heute muss sich den gesellschaftlichen Realitäten stellen. Mit dem Gesetzentwurf
werden die Rechte des leiblichen Vaters gestärkt, Umgang mit seinem Kind zu bekommen.
Der Ehemann gilt als rechtlicher Vater, auch wenn die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder von einem
anderen gezeugt wurden. Der leibliche Vater bleibt oftmals außen vor und wird als potenzielle
Gefährdung des Familienfriedens gesehen. Faktisch kann die Mutter derzeit dem leiblichen Vater den
Umgang mit seinem Kind verwehren. Kinder brauchen aber auch Umgang mit ihrem leiblichen Vater. Die
Neuregelungen sehen daher vor, dass der leibliche Vater ein Umgangsrecht mit seinem Kind dann
erhält, wenn er ein nachhaltiges Interesse an seinem Kind gezeigt hat und wenn der Umgang mit dem
leiblichen Vater dem Kindeswohl dient.
Des Weiteren sollen leibliche Väter künftig auch das Recht erhalten, Auskunft über die persönlichen
Verhältnisses des Kindes zu verlangen, soweit das dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Ein
selbständiges Recht auf Klärung der leiblichen Abstammung unabhängig vom Umgangsrecht erhält der
leibliche Vater nicht. Das würde zu stark in die intakte soziale Familie nachteilig hineinwirken.
Zum Hintergrund:
Dem leiblichen Vater eines Kindes, der mit der Mutter des Kindes nicht verheiratet ist und auch
nicht die Vaterschaft anerkannt hat, steht nach der geltenden Regelung ein Umgangsrecht gemäß §
1685 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nur zu, wenn er eine
enge Bezugsperson des Kindes ist, für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat
(sozial-familiäre Beziehung) und der Umgang dem Kindeswohl dient. Konnte der leibliche Vater zu
seinem Kind keine Beziehung aufbauen, so bleibt ihm der Kontakt zum Kind bisher verwehrt.
Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen keine Beziehung zum Kind aufgebaut wurde, also auch
dann, wenn der leibliche Vater bereit war, für das Kind Verantwortung zu übernehmen, und ihm dies
allein aufgrund der Weigerung der rechtlichen Eltern nicht möglich war. Zudem bleibt der Kontakt
zum Kind ohne Rücksicht darauf verwehrt, ob der Umgang mit dem leiblichen Vater dem Wohl des Kindes
dient.
Ein leiblicher, nicht rechtlicher Vater hat darüber hinaus derzeit auch kein Recht, Auskunft über
die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen. Nach § 1686 Satz 1 BGB kann jeder Elternteil
vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des
Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Der Auskunftsanspruch nach §
1686 BGB steht jedoch nur den Eltern im rechtlichen Sinne zu, nicht aber dem nur leiblichen Vater.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in zwei Entscheidungen beanstandet, dass dem
leiblichen Vater eines Kindes ein Umgangs- und Auskunftsrecht ohne Prüfung des Kindeswohlinteresses
im Einzelfall vorenthalten wird. Die Rechtsposition der leiblichen, nicht rechtlichen Väter soll
daher gestärkt werden. Der Entwurf sieht zu diesem Zweck Folgendes vor:
Hat der leibliche Vater nachhaltiges Interesse an dem Kind gezeigt, erhält er ein Recht auf Umgang
mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Das gilt unabhängig davon, ob zum Kind bereits
eine sozial-familiäre Beziehung besteht.
Zudem wird dem leiblichen Vater bei berechtigtem Interesse ein Recht auf Auskunft über die
persönlichen Verhältnisse des Kindes eingeräumt, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht
widerspricht.
Voraussetzung des Umgangs- und Auskunftsrechts ist, dass der Anspruchsteller auch wirklich der
leibliche Vater ist. Die leibliche Vaterschaft des Antragstellers ist dabei im Rahmen des Umgangs-
oder Auskunftsverfahrens zu prüfen und gegebenenfalls im Rahmen einer Beweiserhebung zu klären. Um
die Feststellung der biologischen Vaterschaft in streitigen Fällen zu ermöglichen, stellt der
Gesetzentwurf eine verfahrensrechtliche Flankierung zur Verfügung. Nach dieser müssen unter
bestimmten Voraussetzungen Untersuchungen zur Klärung der Vorfrage nach der biologischen Abstammung
geduldet werden. Dies soll verhindern, dass die Mutter des Kindes oder eine sonstige Person den
Anspruch des biologischen Vaters vereiteln kann, indem sie die erforderliche Untersuchung
verweigert.
Dem mutmaßlichen leiblichen Vater wird jedoch kein generelles Recht zur Klärung der Abstammung und
damit der leiblichen Vaterschaft eingeräumt. Denn die sozial-familiäre Beziehung zwischen
rechtlichen Eltern und dem Kind soll nicht durch Abstammungsklagen gefährdet werden, die dem Kind
die Geborgenheit der Familie nehmen könnten und nicht sicher zu einer neuen engen familiären
Beziehung zum leiblichen Vater führen müssen.
Der EGMR hat in zwei Urteilen vom 22. März 2012 ausdrücklich klargestellt, dass keine Veranlassung
besteht, dem biologischen Vater das in § 1598a BGB geregelte Verfahren zur Klärung der Abstammung
generell zur Verfügung zu stellen.
Allerdings sieht der Gesetzentwurf in streitigen Fällen, in denen die leibliche Vaterschaft nicht
feststeht, eine Klärung im Rahmen des Umgangs- oder Auskunftsverfahrens – gegebenenfalls im Rahmen
einer Beweiserhebung – vor. Danach müssen unter bestimmten Voraussetzungen Untersuchungen zur
Klärung der Vorfrage nach der biologischen Abstammung geduldet werden. Hierdurch wird verhindert,
dass die Mutter des Kindes oder eine sonstige Person den Anspruch des biologischen Vaters vereiteln
kann, indem sie die erforderliche Untersuchung verweigert.
Quelle: bmj.bund.de