Berlin:

Zu dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von
Patientinnen und Patienten erklären Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr und der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang
Zöller:
„Sechs von zehn Patienten kennen laut einer Studie ihre Rechte gar nicht oder unvollständig. Viele
Patienten beklagen zudem die mangelnde oder ungenügende Information durch den Behandelnden, sie
fühlen sich oftmals alleine gelassen“, erläutert Leutheusser-Schnarrenberger. „Die neuen Regelungen
gleichen das Informationsgefälle zwischen Behandelndem und Patient aus. Patientinnen und Patienten
müssen über die Behandlung umfassend informiert werden. Dies gilt auch für die Kosten einer
Behandlung, wenn die Krankenkasse die Kosten ausnahmsweise nicht übernimmt. Alle wesentlichen
Fakten von Diagnose bis Therapie müssen verständlich erklärt werden. Bei Streitigkeiten ist die
Patientenakte das wichtigste Dokument. Es wird sichergestellt, dass Patienten in die Patientenakte
Einsicht nehmen können. Wichtige Beweiserleichterungen für Patienten werden klar geregelt und für
jeden nachvollziehbar gemacht. Sie beruhen auf der Rechtsprechungsentwicklung. Bei groben
Behandlungsfehlern muss der Arzt beweisen, dass die Behandlung auch ohne den Fehler nicht
erfolgreich gewesen wäre.“ Leutheusser-Schnarrenberger fasst zusammen: „Das Gesetz hilft
Patientinnen und Patienten, ihre Rechte zu kennen und besser durchsetzen zu können.“
„Das neue Patientenrechtegesetz bringt umfassende und verständliche Informationen für Patientinnen
und Patienten“, erklärt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. „Es ermöglicht
Arzt-Patienten-Gespräche auf Augenhöhe und stärkt die Rechte der Versicherten gegenüber den
Leistungserbringern. Mit dem gemeinsam vorgelegten Patientenrechtegesetz schaffen wir endlich eine
einheitliche gesetzliche Grundlage und sorgen dadurch für mehr Klarheit und Transparenz im
Gesundheitswesen. Damit führen wir eine jahrzehntelange Diskussion einer guten und tragfähigen
Lösung zu, die direkt den Patienten und Versicherten zu Gute kommt. So werden die Rechte der
Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung weiter ausgebaut und verbessert. Kranken- und
Pflegekassen werden verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von
Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen. Dies kann durch
Unterstützungsleistungen, mit denen die Beweisführung der Versicherten erleichtert wird, z. B.
durch medizinische Gutachten geschehen. Nicht fristgemäße Entscheidungen der Krankenkassen werden
sanktioniert. Wir stärken die Fehlervermeidungskultur und führen Meldesysteme für Fehler und ein
Risikomanagement ein und machen ein Beschwerdemanagement in Krankenhäusern verbindlich und
transparent.“
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller sagte: „Das Patientenrechtegesetz
stärkt die Patienten auf dem Weg vom Bittsteller zum Partner. Der Gesetzentwurf ist ein neues,
zeitgemäßes Fundament. Es ist kein Gesetz gegen jemanden, sondern sorgt für einen transparenten
sowie fairen Ausgleich der Interessen und stärkt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und
Patienten. In vielen Gesprächen mit allen Beteiligten konnte ich im Vorfeld einen großen Konsens
ausloten. Ein guter Gesetzentwurf wurde vorgelegt und geht jetzt in die parlamentarische Beratung.
Es ist ein Gesetzentwurf, der die Rechte der Patienten maßgeblich weiterentwickelt, erstmals
zusammenhängend regelt und vor allen Dingen für jedermann unkompliziert nachlesbar macht. Ich bin
sicher, dass das Gesetz dazu beiträgt, dass unser Gesundheitssystem von allen Beteiligten als
gerechter empfunden werden kann.“
Zum Hintergrund:

Der Gesetzentwurf umfasst folgende Regelungsbereiche:
• Der Behandlungsvertrag wird ausdrücklich im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Die Regelung
erfasst die Vertragsbeziehung zwischen Patienten und Ärzten, aber auch anderen Heilberufen wie
Heilpraktikern, Hebammen, Psycho- oder Physiotherapeuten. Patienten müssen verständlich und
umfassend informiert werden, etwa über erforderliche Untersuchungen, Diagnosen und beabsichtigte
Therapien. Die Patienten sind gesondert auf Kosten für solche Leistungen hinzuweisen, die nicht von
den Leistungsträgern übernommen werden.
• Aufklärung muss umgehend erfolgen und ist verpflichtend. Vor jedem Eingriff müssen alle Patienten
umfassend über die konkrete Behandlung und die sich daraus ergebenden Risiken aufgeklärt werden.
Dazu muss rechtzeitig vorher ein persönliches Gespräch geführt werden, damit sich der Patient seine
Entscheidung gut überlegen kann. Eine schriftliche Aufklärung reicht alleine nicht aus.
• Auch die Dokumentationspflichten bei der Behandlung sollen im Gesetz festgelegt werden.
Patientenakten sind vollständig und sorgfältig zu führen. Patienten bekommen nunmehr ein
gesetzliches Recht auf Akteneinsicht. Fehlt die Dokumentation oder ist sie unvollständig, wird im
Prozess zu Lasten des Behandelnden vermutet, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht
erfolgt ist.
• In Haftungsfällen wird es mehr Transparenz geben. Die wichtigen Beweiserleichterungen
berücksichtigen die Rechtsprechung und werden klar geregelt. Jeder kann jetzt im Gesetz nachlesen,
wer im Prozess was beweisen muss. Bei sogenannten „einfachen“ Behandlungsfehlern muss wie bisher
der Patient den Behandlungsfehler sowie die Ursächlichkeit dieses Fehlers für die eingetretene
Gesundheitsschädigung nachweisen. Für bestimmte Fallgruppen wie den „groben“ Behandlungsfehler sind
Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten vorgesehen. Hierbei handelt es sich um gravierende
Fälle, die aus objektiver medizinischer Sicht schlechterdings nicht mehr verständlich erscheinen.
Dann muss sich der Behandelnde seinerseits entlasten und beweisen, dass der nachgewiesene
Behandlungsfehler nicht generell geeignet war, eine Gesundheitsschädigung der eingetretenen Art
herbeizuführen. Weitere Beweiserleichterungen betreffen etwa das sogenannte voll beherrschbare
Risiko. So wird ein Behandlungsfehler vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko
verwirklicht, das der Behandelnde voll beherrscht – führt z. B. ein defektes Narkosegerät während
einer Operation des Patienten zu einer Sauerstoffunterversorgung und dadurch bedingt zu
Hirnschädigungen, so wird die Verantwortlichkeit des Behandelnden für diesen Fehler vermutet.
Auch die Versichertenrechte in der gesetzlichen Krankenversicherung werden gestärkt:
• Werden Verfahrensvorschriften, wie beispielsweise eine nicht fristgemäße Entscheidung bei
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht eingehalten, können sich die Versicherten
die Leistung jetzt selbst beschaffen und erhalten die entstandenen Kosten erstattet, wenn die
Krankenkassen ohne hinreichenden Grund über einen Antrag auf eine Leistung nicht innerhalb von drei
Wochen nach Antragseingang bzw. innerhalb von fünf Wochen, wenn von der Krankenkasse ein
medizinisches Gutachten eingeholt wird, entscheiden.
• Bei Behandlungsfehlern sind die Kranken- und Pflegekassen künftig verpflichtet, ihre Versicherten
bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu unterstützen. Dies kann etwa durch
Unterstützungsleistungen, mit denen die Beweisführung der Versicherten erleichtert wird, z. B.
medizinischen Gutachten, geschehen.
• Im Gesetzentwurf ist die Förderung einer Fehlervermeidungskultur in der medizinischen Versorgung
vorgesehen: Behandlungsfehlern möglichst vorzubeugen, hat höchste Priorität. Ein sachgerechtes
Qualitätsmanagement im stationären Bereich umfasst zukünftig verpflichtend auch ein
Beschwerdemanagement für die Belange insbesondere von Patientinnen und Patienten und deren
Angehörigen, das entsprechend patientenorientiert auszugestalten ist.
• Die Patientenbeteiligung wird weiter ausgebaut. Patientenorganisationen werden insbesondere bei
der Bedarfsplanung stärker einbezogen.
• Um insgesamt mehr Transparenz über geltende Rechte von Patientinnen und Patienten herzustellen,
erstellt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung künftig eine umfassende Übersicht der
Patientenrechte zur Information der Bevölkerung.

Quelle:bjm.de

Von redaktion