Künstliche Intelligenz im Einsatz für die
Justiz / Start für gemeinsames Forschungsprojekt von Bayern und NRW

Generatives Sprachmodell soll Richterinnen und Richter entlasten / Wissenschaftliche
Begleitung durch die TU München und die Universität zu Köln Start für ein spannendes Forschungsprojekt der Justiz:
Bayern und Nordrhein-Westfalen (NRW) trainieren und erproben seit dieser
Woche gemeinsam ein generatives Sprachmodell speziell für die Bedürfnisse
der Justiz. Die Vereinbarung zwischen den Ländern und den beteiligten
Universitäten wurde in dieser Woche unterzeichnet. Bayerns
Justizminister Georg Eisenreich: „Durch die rasante Entwicklung
im Bereich generativer KI stehen wir am Beginn eines neuen Zeitalters.
Das führt zu großen Chancen, aber auch zu großen Herausforderungen.
Die Potentiale von KI und Legal Tech wollen wir in der Justiz nutzen, um
unsere durch Massenverfahren und neue Kriminalitätsphänomene
stark geforderten Gerichte zu entlasten. Ich freue mich, dass wir gemeinsam
mit NRW wertvolle Erkenntnisse gewinnen können.“ Dr.
Daniela Brückner, Staatsekretärin im Ministerium der Justiz des
Landes Nordrhein-Westfalen: „Mit dem Forschungsprojekt GSJ
leisten NRW und Bayern einen Beitrag zur Modernisierung der Justiz und
zur Wahrung der digitalen Souveränität Deutschlands. Damit gestalten
wir aktiv mit, wie ein Large Language Model für die Justiz in Zukunft
aussehen und für welche Zwecke es eingesetzt werden kann.“
Das Generative Sprachmodell der Justiz (GSJ) könnte beispielsweise
dafür eingesetzt werden, neue Text-Bausteine zu formulieren, unstreitige
Sachverhalte aus einer Akte herauszufiltern und Schriftsätze aus verschiedenen
Akten zu vergleichen. Die Anwendungsfälle werden unmittelbar mit Praktikerinnen
und Praktikern in Legal Design-Workshops entwickelt. Die Testphase dauert
bis Ende 2026 und wird aus Mitteln der Digitalisierungsinitiative des Bundes
für die Justiz finanziert. Auf wissenschaftlicher Ebene wird
das Projekt von der Technischen Universität München
unter der Leitung des Legal-Tech-Experten Prof. Dr. Matthias Grabmair
und der Universität zu Köln unter der Leitung
von Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Inhaberin des
Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht,
Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung, begleitet.
Eisenreich: „Juristinnen und Juristen arbeiten
viel mit Sprache, deshalb berührt generative KI die juristische Welt
in besonderer Weise. Künstliche Intelligenz kann immer nur ein Hilfsmittel
sein. Mir ist wichtig, dass auch in Zukunft Richterinnen und Richter die
Urteile fällen.“

Brückner: „Das Projekt ist Teil eines Zukunftsbildes, den Zugang zum Recht zu vereinfachen,
die Entwicklung von Textanalyse-Komponenten in Fachanwendungen zu fördern
und Gerichte durch die Unterstützung in der alltäglichen Arbeit,
insbesondere in Massenverfahren und Umfangsverfahren, zu entlasten.“
Hintergrund zur Digitaloffensive der
bayerischen Justiz:   Elektronischer
Rechtsverkehr: Der elektronische Rechtsverkehr ist bei allen bayerischen
Gerichten und Staatsanwaltschaften eingeführt. Videoverhandlungen:
Seit Juli 2021 haben alle 99 ordentlichen Gerichte in Bayern Zugang zu
einer Videokonferenzanlage. Daneben setzt die Justiz auf ein Videokonferenz-Tool,
das bayernweit freigegeben wurde. Allein im Jahr 2023 gab es rund 13.000
Videoverhandlungen und -anhörungen im Freistaat.
Einführung der E-Akte: Bis 1. Januar 2026 muss
die elektronische Akte deutschlandweit eingeführt sein. In Bayern
müssen 127 Standorte mit etwa 15.000 Arbeitsplätzen mit der E-Akte
ausgestattet werden. Die Regeleinführung der E-Akte an allen bayerischen
Gerichten in Zivil-, Familien- und Immobiliarvollstreckungs- sowie Betreuungs-,
Grundbuch- und Insolvenzsachen ist abgeschlossen. Geplant ist, die Regeleinführung
in Nachlass- und Strafsachen im Herbst 2024 zu beginnen.
Start-up-Gründung: Auf Initiative des Justizministers
hat die bayerische Justiz 2022 gemeinsam mit dem Innovations- und Gründungszentrum
UnternehmerTUM das „Legal Tech Colab“ ins Leben gerufen –
einen Inkubator und Accelerator für Start-ups im Legal-Tech-Bereich
(Pressemitteilung hier
abrufbar). Neue Digitalabteilung im Justizministerium:
Justizminister Eisenreich hat zum 1. April 2023 eine neue Abteilung „Digitalisierung
und Innovation“ eingerichtet (Pressemitteilung hier
abrufbar). Zudem wurde im Juli 2023 ein neues Referat für Legal Tech
und Künstliche Intelligenz geschaffen. Interdisziplinäre
Vernetzung und Austausch: Im März 2018 wurde die „Denkfabrik
Legal Tech“ gegründet, die über 600 Juristinnen und Juristen
sowie IT-Expertinnen und -Experten aus Justiz, Wirtschaft, Anwaltschaft
und Forschung vernetzt. Ziel ist es, die Kenntnisse über Einsatzmöglichkeiten
moderner Legal-IT-Tools zu vertiefen. Neues
Berufsfeld für Referendarinnen und Referendare: Seit Juli
2023 können Referendarinnen und Referendare in Bayern das neue Berufsfeld
„IT-Recht und Legal Tech“ wählen (Pressemitteilung hier
abrufbar). Beteiligung an der Fortentwicklung
innovativer Ermittlungswerkzeuge: Die bayerische Justiz beteiligte
sich gemeinsam mit Spitzenforschern aus den Niederlanden an der Fortentwicklung
des „Dark Web Monitor“ – einer Art Suchmaschine für
das Darknet. Im Juni 2022 stiegen auch Wiener Blockchain-Spezialisten in
das Projekt ein: Mit dem Analyse-Tool GraphSense können die Ermittler
besser der Spur des Geldes folgen, wenn z. B. für Kinderpornografie
mit Bitcoins bezahlt wird. Zudem ist die bayerische Justiz mit österreichischen
Spitzenforschern seit August 2023 dabei, den Fake-Shop-Detector auf die
besonderen Anforderungen der Strafverfolgungsbehörden zuzuschneiden
und weiterzuentwickeln (Pressemitteilung hier
abrufbar). Seit diesem Sommer pilotiert die Justiz gemeinsam mit der niederländischen
Forschungsgesellschaft TNO den „Big Phish“, ein Tool das frühzeitig
Phishing-Domains im Internet aufspüren soll (Pressemitteilung hier
abrufbar). Automatisierte Anonymisierung von
Urteilen: Ziel eines vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz
unterstützten und inzwischen erfolgreich abgeschlossenen Forschungsprojekts
mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg war
es, in Zukunft in geeigneten Fachbereichen eine größere Anzahl
von Urteilen veröffentlichen zu können. Software
zur juristischen Aktenstrukturierung: Das Bayerische Justizministerium
hat zudem bereits die Entwicklung einer Software zur juristischen Aktenstrukturierung
in Auftrag gegeben und erfolgreich ausgeschrieben. Die Software wird Entscheiderinnen
und Entscheidern als Hilfsmittel bei der juristischen Fallbearbeitung dienen.
Die Software wird voraussichtlich noch in diesem Jahr zur Verfügung
stehen. Erprobung
innovativer Legal Tech-Anwendungen zur Unterstützung von Richterinnen
und Richtern bei Massenverfahren: Richterinnen und Richter bei
den Landgerichten München I und Ingolstadt haben eine Anwendung zur
Unterstützung in erstinstanzlichen Dieselverfahren getestet. Bei dem
Amtsgericht Erding wird gegenwärtig eine Software zur Unterstützung
in Fluggastrechteverfahren getestet. Bei dem Oberlandesgericht München
soll demnächst die Erprobung einer Software zur Unterstützung
in zweitinstanzlichen Dieselverfahren beginnen. Reallabor
Basisdokument: Bayern und Niedersachsen haben in einem gemeinsamen
Forschungsprojekt mit der Universität Regensburg eine Anwendung zur
digitalen Aufbereitung des Parteivortrags entwickelt und an mehreren Landgerichten
erfolgreich erprobt. In dem Basisdokument wird der gesamte Streitstoff
übersichtlich und stets aktuell abgebildet. Automatisierte
Textanalyse: Bis Ende September 2023 wurde am Landgericht Ingolstadt
der Einsatz eines automatisierten Textanalysetools evaluiert. Die Pilotierung
zeigte vielversprechende Ergebnisse. Ein Textanalysetool könnte insbesondere
für die Serviceeinheiten eine spürbare Entlastung bringen. Aufgrund
der vielversprechenden Pilotierungsergebnisse wird derzeit die Durchführung
eines Vergabeverfahrens zur Beschaffung im Rahmen einer länderübergreifenden
Kooperation vorbereitet. Bayerns Justizminister Georg
Eisenreich hat zudem zahlreiche rechtspolitische Initiativen auf
den Weg gebracht. So wurde beispielsweise im Jahr 2022 auf Initiative von
Staatsminister Georg Eisenreich der Digitalgipfel des Bundes und der Länder
eingerichtet: Beim dritten Digitalgipfel von Bund und Ländern,
der im Vorfeld der Justizministerkonferenz im Herbst 2023 stattfand, haben
Bund und Länder auf bayerische Initiative beschlossen, eine von Bund
und Ländern gemeinsam besetzte Reformkommission einzusetzen. Die Reformkommission
wird unter Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Richterschaft,
der Anwaltschaft, der Wissenschaft, der Verbraucher, der Wirtschaft und
des Legal Tech Verbandes sowie des EDV-Gerichtstages Vorschläge für
den Zivilprozess der Zukunft erarbeiten. Die Kommission hat ihre Arbeit
am 1. Juli 2024 aufgenommen.

 

Quelle:stmj.bayern.de

Von redaktion