Berlin:

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland im August 2022[1]

Die deutsche Wirtschaft hat sich im ersten Halbjahr als widerstandsfähig erwiesen. Trotz des
Krieges in der Ukraine und der in dessen Folge drastisch gestiegenen Energiepreise blieb die
Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal unverändert. Insgesamt hat sich die
deutsche Volkswirtschaft im ersten Halbjahr besser entwickelt als von vielen Beobachtern erwartet.
Allerdings sorgen die seit Mitte Juni reduzierten Gaslieferungen, die nochmals gestiegenen
Energiepreise, die fortwirkenden Lieferengpässe sowie die allgemein erhöhte Unsicherheit für
deutlich schlechtere Aussichten für das zweite Halbjahr. Die deutsche Industrie erholte sich auch
im Berichtsmonat Juni weiter von dem externen Schock, den sie durch den russischen Angriffskrieg
gegen die Ukraine erlitten hatte. Die Produktion und der Export von Waren legten zu. Die Nachfrage
allerdings verlief bei abgekühltem Geschäftsklima schwach. Der Ausblick für die Industriekonjunktur
im zweiten Halbjahr bleibt angesichts der großen Unsicherheit zurückhaltend. Die Umsätze im
Einzelhandel verzeichneten binnen Jahresfrist aufgrund hoher Preissteigerungen in realer Rechnung
den größten Rückgang seit dem Jahr 1994. Vor dem Hintergrund kräftiger Preisniveausteigerungen im
Einzelhandel setzte das Konsumklima seine Talfahrt weiter fort. Die Inflationsrate ging von Juni
auf Juli zum zweiten Mal hintereinander leicht auf 7,5 % zurück. Das entspricht einer Abnahme um
0,1 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat (Juni: +7,6 %). Die Absenkung der Energiesteuer auf
Kraftstoffe, das Neun-Euro-Ticket und seit Juli auch die Abschaffung der EEG-Umlage haben den
Preisauftrieb leicht gedämpft. Die Energieträger verteuerten sich etwas schwächer aber erneut
kräftig. Der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln verzeichnete ein neues Allzeithoch seit der
Wiedervereinigung. Der Arbeitsmarkt zeigte sich weiterhin vergleichsweise robust, auch wenn die
Fluchtmigration aus der Ukraine sich erneut deutlich auf die Arbeitslosigkeit auswirkte. Die
Geflüchteten dürften auch in den kommenden Monaten zu weiteren Anstiegen bei der registrierten
Arbeitslosigkeit führen. Gleichzeitig stieg die Zahl der offenen Stellen im zweiten Quartal auf ein
Allzeithoch. Der steigende Personalbedarf erfasst fast alle Branchen. Auch für den Arbeitsmarkt ist
das größte Risiko ein Gaslieferstopp aus Russland, der zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung
und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit führen dürfte. Für Mai 2022 meldeten die
deutschen Amtsgerichte mit 1.242 beantragten Unternehmensinsolvenzen in etwa genauso viele
Insolvenzen wie im Vormonat April 2022. Insgesamt lagen die beantragten Unternehmensinsolvenzen in
den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 um 4% unter dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Aktuelle
Frühindikatoren und Umfragen deuten – trotz der gestiegenen Risken – auf keinen signifikanten
Anstieg in naher Zukunft hin.
DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT HAT SICH IM ERSTEN HALBJAHR WIDERSTANDSFÄHIG GEZEIGT – AUSBLICK WEITER VON
UNSICHERHEIT GEPRÄGT
Die konjunkturelle Stimmung in Deutschland ist weiterhin zweigeteilt. Einerseits haben sich
wichtige Kennzahlen für die deutsche Wirtschaft im Juni positiv entwickelt. So stiegen die
Industrieproduktion und die Warenexporte an und die Warenimporte liegen weiter auf hohem Niveau.
Andererseits deuten vorausschauende Indikatoren und Stimmungsdaten wie die Auftragseingänge und das
ifo Geschäftsklima auf eine Verschlechterung der Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr hin. Vor
allem die reduzierten Gaslieferungen aus Russland drücken die Stimmung und eine weitere Drosselung
stellt das Hauptrisiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung dar.
Die Lage bei den weltweiten Lieferketten bleibt ebenfalls angespannt, auch wenn sich das aus China
stammende Frachtvolumen zuletzt wieder erholte. Die Engpässe dürften jedoch im zweiten Halbjahr
anhalten, sodass die Aussichten für den deutschen Außenhandel verhalten ausfallen. Die Unsicherheit
und die hohe Inflation wirkten belastend auf das Konsumklima: Die Einzelhandelsumsätze waren
zuletzt wieder rückläufig. Die Inflationsrate sank im Juli zwar erneut leicht auf +7,5 %, liegt
damit aber immer noch auf einem Niveau wie während der ersten Ölkrise im Winter 1973/74 im früheren
Bundesgebiet. Nach wie vor sind es vor allem die Preise für Energie und Nahrungsmittel, die die
allgemeine Teuerung treiben. Der eingeführte Tankrabatt und das Neun-Euro-Ticket sorgten allerdings
für eine gewisse Entlastung. Die weitere Entwicklung des Preisniveaus hängt vor allem am Fortgang
der Energielieferungen aus Russland sowie an der Reaktion der EZB auf die hohen Inflationsraten.
Insgesamt zeigt sich aber ein solides erstes Halbjahr, in dem die deutsche Wirtschaft einige
Widerstandskraft bewies: Das Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Quartal nach neuen Berechnungen vom
Statistischen Bundesamt merklich aufwärts korrigiert worden und robust gewachsen. Im zweiten
Quartal wurde dieses Niveau gehalten. Mancher Beobachter hatten in diesem Zeitraum eine rückläufige
Entwicklung erwartet. Die bisherige Entwicklung war also besser als gedacht.
WELTWIRTSCHAFT ERHOLT SICH LANGSAM – AUSBLICK BLEIBT ABER VERHALTEN
Die Weltwirtschaft ist dabei, den externen Schock durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine
zu verkraften. Die weltweite Industrieproduktion wurde im Mai um lediglich 0,4 % gegenüber dem
Vormonat erhöht, nachdem sie im März sowie im April gedrosselt worden war (-1,0 % bzw. -2,3 %). Der
Welthandel indes konnte im Mai (+2,5 %) die Abnahme aus dem März (-1,2 %) nach zwischenzeitlicher
Stagnation im April (+0,0 %) wieder gut machen. Dennoch wird der Welthandel von der Störung der
Lieferketten gedämpft. Es stauen sich derzeit vermehrt Schiffe in der Nordsee vor den Häfen
Deutschlands, der Niederlande und Belgiens. Hier stecken gegenwärtig knapp 2 % der globalen
Frachtkapazität fest.
Der Stimmungsindikator von S&P Global (ehemals IHS Markit) deutet auf eine leichte Erholung in den
kommenden Monaten hin. Er fiel zwar im Juli von 53,5 recht deutlich auf 50,8 Punkte, lag damit aber
weiterhin etwas über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die ifo-Exporterwartungen haben sich
gegenüber dem Vormonat ebenfalls wieder eingetrübt (-0,5 nach +3,4 Saldopunkten). Erstmals seit
März überwog damit der Anteil pessimistischer Unternehmen jene Fraktion, die mit einer Verbesserung
in den nächsten Monaten rechnet.
DEUTSCHER AUSSENHANDEL: AUSFUHREN STEIGEN KRÄFTIG – EINFUHREN NEHMEN LEICHT ZU
Das erhöhte Preisniveau der Energieträger macht sich auch im deutschen Außenhandel bemerkbar. Die
nominalen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen stiegen im Juni saisonbereinigt um kräftige
4,3 % gegenüber dem Vormonat. Im Mai hatten sie um moderatere 2,5 % zugelegt. Für das zweite
Quartal 2022 ergibt sich damit ein deutliches Plus von 8,8 %. Die Exportpreise sind im Juni um
saisonbereinigt 1,0 % gestiegen (2. Quartal: +4,3 %) und dürften den Anstieg der Ausfuhren in
realer Rechnung damit (merklich) dämpfen. Nach Bestimmungsländern stiegen die Waren-Ausfuhren
sowohl in die EU-Mitgliedstaaten (+3,9 %) als auch in Drittstaaten wie den Vereinigten Staaten
(+6,2 %) und China (+2,4 %).
Demgegenüber nahmen die Einfuhren von Waren und Dienstleistungen im Juni gegenüber dem Vormonat
saisonbereinigt leicht zu (+0,6 %). Im Mai waren sie um 2,8 % gestiegen. Im Quartalsvergleich steht
ein kräftiger Zuwachs von 8,3 %. Bei nochmals gestiegenen Importpreisen im Juni (+1,2 %; 2.
Quartal: +6,2 %) dürfte die reale Entwicklung der Einfuhren zuletzt negativ ausgefallen sein. Die
nominalen Waren-Einfuhren aus den Vereinigten Staaten sowie China fielen geringer aus als im
Vormonat (-6,6 % bzw. -3,9 %), während die Einfuhren aus der EU leicht zunahmen (+0,3 %).
Im Zuge der außerordentlichen Preisdynamik im Bereich der Energieträger belief sich der monatliche
Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands im Juni auf außergewöhnlich niedrige 16,2 Mrd. Euro. Im
Durchschnitt der letzten Jahre waren monatliche Leistungsbilanzüberschüsse von über 20 Mrd. Euro
üblich.
Die deutschen Waren-Ausfuhren nach Russland stiegen im Juni gegenüber Mai saisonbereinigt um 14,5 %
(Mai: +29,4 %). Gegenüber dem Vorjahresmonat sanken die Waren-Ausfuhren gemäß Ursprungswerten
jedoch um 40,3 %. Ein Grund für die Steigerungsraten im Vormonatsvergleich könnte eine Reaktion im
Bereich nicht-sanktionierter Güter wie z. B. Pharmazeutische Erzeugnisse sein. In den Monaten März
und April gab es möglicherweise noch Unsicherheit zur Anwendbarkeit der Sanktionen.
Nach dem Lockdown- und Hafenstreik-bedingten Einbruch vor zwei Wochen erholt sich das aus China
stammende Frachtvolumen wieder. Dennoch bleibt der weltweite Seeverkehr aufgrund von
Lieferkettenstörungen und Kapazitätsengpässen angespannt. Auch vor diesem Hintergrund haben sich
die ifo Exporterwartungen im Juli erneut eingetrübt und liegen nun erstmals seit März wieder im
negativen Bereich (von +3,4 auf -0,5 Saldenpunkte). Derzeit rechnen nur rund 12 % der Unternehmen
mit einer Verbesserung in den nächsten drei Monaten. Der Ausblick für den deutschen Außenhandel in
den kommenden Monaten fällt zusammengenommen eher verhalten aus.
DIE INDUSTRIE ERHOLT SICH IM JUNI WEITER; DER AUSBLICK BLEIBT ABER GEDÄMPFT
Die Produktion im Produzierenden Gewerbe ist im Juni um 0,4 % gegenüber dem Vormonat gestiegen. Die
Industrie und konnten ihren Ausstoß um 0,7 % erhöhen, während die Produktion im Baugewerbe um 0,8 %
zurückging. Im Bereich Energie gab es keine Veränderung (0,0 %).


Innerhalb der Industrie gab es im gewichtigen Bereich Kfz und Kfz-Teile ein kräftiges Plus von
5,5 %. Hier wurde der kriegsbedingte Einbruch im März mittlerweile wieder wettgemacht, die
Produktion liegt nun wieder über ihrem Niveau zu Jahresanfang. In den anderen Bereichen der
Industrie waren unterschiedliche Entwicklungen zu verzeichnen: Im Maschinenbau steigerte sich der
Ausstoß leicht um 0,4 %. Auch die Bereiche Papier und Pappe (+2,2 %) sowie Nahrungs- und
Futtermittel (+2,0 %), die im Vormonat teils merkliche Rückgänge gemeldet hatten, steigerten ihre
Produktion. Die Herstellung von Metallerzeugnissen (-2,1 %) und chemischen Erzeugnisse (-0,7 %)
ging hingegen zurück.
Die Auftragseingänge sind im Juni gegenüber dem Vormonat um 0,4 % zurückgegangen. In den vier
Monaten zuvor waren sie bereits infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine stetig
gesunken. Zuletzt gab es unterdurchschnittlich wenig Großaufträge. Ohne Berücksichtigung von
Großaufträgen haben sich die Ordereingänge um 0,4 % gegenüber dem Vormonat erhöht. Insgesamt lagen
die Auftragseingänge damit zuletzt in arbeitstäglich bereinigter Rechnung 9,0 % unter ihrem Niveau
vor Vorjahresfrist.
Ausschlaggebend für die Abnahme im Juni gegenüber dem Vormonat war eine spürbar gesunkene Nachfrage
nach Investitionsgütern (-1,8 %). Die Produzenten von Vorleistungs- und Konsumgütern meldeten
hingegen Zuwächse um 1,2 % bzw. 1,7 %. Aus dem Inland gingen 1,1 % mehr Bestellungen ein. Die
Auslandsnachfrage gab um 1,4 % nach, wobei ein kräftiges Orderminus aus dem Nicht-Euroraum von
4,3 % zu Buche schlägt (Euroraum: +3,4 %). Die gewichtigen Bereiche Kfz/Kfz-Teile und Maschinenbau
verzeichneten leichte Abnahmen der Auftragseingänge um 0,1 % bzw. 0,4 %. Der sonstige Fahrzeugbau
meldete einen kräftigen Rückgang um 25,6 %. Zu Zuwächsen kam es indes in den Bereichen
pharmazeutische Erzeugnisse (+9,2 %), chemische Erzeugnisse (+1,1 %) und elektrische Ausrüstungen
(+0,6 %).
Die Industrie als Ganzes erholte sich auch im Berichtsmonat Juni weiter von dem externen Schock,
den sie durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erlitten hatte. Angesichts hoher
Energiepreise und der teilweise gestörten Lieferketten zeigte sie damit ihre Widerstandskraft.
Aufgrund ihrer Exportorientierung ist die deutsche Industrie überproportional von den
Handelssanktionen gegen Russland betroffen. Die Nachfrage verläuft schwach bei abgekühltem
Geschäftsklima. Angesichts der erhöhten Unsicherheit durch den Krieg und einer drohenden
Gasknappheit bleibt der Ausblick für die Industriekonjunktur im zweiten Halbjahr zurückhaltend.
EINZELHANDELSUMSATZ HAT IM VORJAHRESVERGLEICH KRÄFTIG ABGENOMMEN
Im Einzelhandel ohne Kfz haben sich die Umsätze im Juni gegenüber dem Vormonat um 1,6 % verringert,
nachdem sie im Mai um 1,2 % gestiegen waren. Die Umsätze lagen damit zuletzt um 8,8 % unter ihrem
Niveau von einem Jahr zuvor; dies ist die stärkste Abnahme binnen Jahresfrist seit dem Jahr 1994,
als die Erhebung der Zeitreihe begonnen wurde. Hauptgrund dafür sind die hohen
Preisniveausteigerungen im Einzelhandel. So kam es in nominaler Rechnung, also ohne
Preisbereinigung, binnen Jahresfrist lediglich zu einem Umsatzrückgang von 0,8 %. Der Handel mit
Lebensmitteln verzeichnete im Juni im Vergleich zum Vormonat einen realen Umsatzrückgang von 0,6 %
(ggü. Vorjahresmonat -7,2 %) und damit das tiefste Niveau seit Juni 2016. Neben stark gestiegenen
Preisen könnte auch das kräftige Umsatzplus in der Gastronomie von 8,6 % den Lebensmittelhandel
negativ beeinflusst haben. Beim Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren setzte
sich die im bisherigen Jahresverlauf zu beobachtende aufwärtsgerichtete Tendenz nicht fort. Er
meldete ein deutliches Minus von 5,4 % (ggü. Vorjahresmonat -10,1 %). Auch im Internet- und
Versandhandel verlief die Entwicklung schwach. Er hatte im Juni den stärksten Rückgang gegenüber
dem Vormonat seit 1994 von 3,8 % zu verbuchen (ggü. Vorjahresmonat -15,1 %). An den Tankstellen kam
es im Zuge der Einführung des Tankrabatts im Juni zu einem Umsatzplus von 6,4 % (ggü. Vorjahr
-8,0 %) Bei den Neuzulassungen von Pkw durch private Halter ergab sich im Juli erneut eine Zunahme
um 1,4 %, nachdem sie bereits in den beiden Vormonaten merklich zugelegt hatten (Juni: +2,6 %; Mai:
+5,9 %).
Das Konsumklima setzte gemäß der beiden gängigen Frühindikatoren seine Talfahrt aufgrund der sehr
kräftigen Steigerungen bei den Preisen für Energie- und Lebensmittel weiter fort: Für das GfK
Konsumklima wird für August wieder ein neuer historischer Tiefststand prognostiziert. Auch die ifo
Geschäftserwartungen im Einzelhandel trübten sich im Juli weiter merklich ein. Der Saldo der
Meldungen erreicht nunmehr ein sehr niedriges Niveau.
INFLATIONSRATE ERNEUT LEICHT RÜCKLÄUFIG
Das Niveau der Verbraucherpreise ist im Juli gegenüber dem Vormonat um 0,9 % gestiegen, was vor
allem auf einen deutlichen Preisanstieg bei Pauschalreisen (+15,2 %) zurückzuführen ist. Auch
Nahrungsmittel verteuerten sich wieder spürbar (+2,3 %). Die Preise für Energie gingen indes leicht
zurück (-0,3 %).
Die Inflationsrate, also die Entwicklung des Preisniveaus binnen Jahresfrist, ging im Juli zum
zweiten Mal hintereinander auf 7,5 % leicht zurück. Dies entspricht einer Abnahme um
0,1 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat (Juni: +7,6 %). Im Mai hat die Rate mit +7,9 % ihren
bisherigen Höchstwert seit dem Winter 1973/74 zu Zeiten der ersten Ölkrise erreicht. Zu Beginn des
Jahres hatte sie allerdings noch unter 5 % gelegen. Maßgeblich für das hohe Niveau der
Inflationsrate ist nach wie vor die sehr starke Teuerung bei den Energieprodukten (+35,5 %, Juni:
38,0 %). Das Neun-Euro-Ticket und der Tankrabatt wirken seit Juni leicht dämpfend auf die
Inflation. Im Juli wurde zudem die EEG-Umlage abgeschafft. Der Anstieg der Preise für
Nahrungsmittel verzeichnete jedoch mit +14,8 % ein neues Allzeithoch seit der Wiedervereinigung
(Juni: +12,7 %). Auch von den Preisen für Pauschalreisen ging erneut ein spürbarer Impuls auf die
Inflationsrate aus (+10,1 %). Die Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) lag im Juli
unverändert bei +3,2 %. Im Vergleich zur Inflation insgesamt ist das eine eher geringe Rate, zu
Beginn des Jahres hatte sie jedoch noch unter 3 % gelegen. Angesichts der anhaltenden Unsicherheit
bei den russischen Gaslieferungen ist in den kommenden Monaten weiterhin mit einem starken
Preisdruck bei Energie und deshalb auf absehbare Zeit mit hohen Inflationsraten zu rechnen.
ARBEITSMARKT VORERST STABIL, FLUCHTMIGRATION ERHÖHT ARBEITSLOSIGKEIT
Der Arbeitsmarkt zeigt sich weiterhin vergleichsweise robust, auch wenn die Fluchtmigration aus der
Ukraine sich erneut deutlich auf die Arbeitslosigkeit auswirkt. Die registrierte Arbeitslosigkeit
erhöhte sich im Juli saisonbereinigt nochmal kräftig um 48.000 Personen. Der Anstieg ist auf
ukrainische Geflüchtete zurückzuführen, die seit Juni in der Grundsicherung erfasst werden. In
Ursprungswerten nahm die registrierte Arbeitslosigkeit um 107.000 auf 2,47 Mio. Personen zu. Im
Vergleich zum Vorjahresmonat waren aber immer noch 120.000 Personen weniger arbeitslos gemeldet.
Bei Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung setzte sich der bisherige
positive Verlauf weiter fort. Die Erwerbstätigkeit erhöhte sich im Juni saisonbereinigt um 24.000
Personen. In Ursprungswerten waren damit 45,6 Millionen Menschen erwerbstätig, 610.000 Personen
mehr als im Vorjahresmonat. Bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gab es im Mai ein
deutliches Plus von 45.000 Personen. Die Inanspruchnahme der Kurzarbeit lag im Mai bei rund
0,33 Mio. Personen und damit nochmals merklich niedriger als im Vormonat. Auch die Anzeigen gingen
weiter zurück. Die Zahl der offenen Stellen stieg für das gesamten zweiten Quartal auf ein
Allzeithoch. Nahezu alle Branchen meldeten steigenden Personalbedarf. Die Frühindikatoren fallen am
aktuellen Rand verhalten aus. Laut Umfragen sind die Unternehmen zurückhaltender bei der Schaffung
neuer Stellen, dennoch liegt die Nachfrage nach Arbeitskräften weiter auf sehr hohem Niveau. Die
Fluchtmigration dürfte auch in den kommenden Monaten zu weiteren Anstiegen bei der Arbeitslosigkeit
führen, ihre Intensität aber abnehmen. Das größte Risiko für den Arbeitsmarkt ist ein
Gaslieferstopp aus Russland, der zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung und einem Anstieg der
Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit führen dürfte.
WEITERHIN KEIN SIGNIFIKANTER ANSTIEG DER INSOLVENZEN
Die rückläufige Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen der vergangenen beiden Jahre hält weiterhin
an und die Zahlen bleiben auch im Jahr 2022 bisher weiter unter Vorjahresniveau. In den ersten fünf
Monaten des Jahres 2022 lagen die beantragten Unternehmensinsolvenzen um etwa 4 % unter dem Wert
des entsprechenden Vorjahreszeitraums.
Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen als Frühindikator für die zukünftige Insolvenzentwicklung
ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes im Juli 2022 um -4,2 % gegenüber dem
Vormonat gesunken. Damit setzte sich der bereits im Juni 2022 beobachtete Rückgang (-7,6 % ggü. Mai
2022) weiter fort. Ein signifikanter Anstieg der Insolvenzen ist derzeit nicht in Sicht, allerdings
stellen die Folgen des Kriegs in der Ukraine ein zusätzliches Risiko für die Unternehmen dar,
dessen Auswirkungen auf das Insolvenzgeschehen im weiteren Jahresverlauf nur schwer abzuschätzen
sind. Experten des IW Halle rechnen aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds für das
Gesamtjahr 2022 mit einem etwas höheren Insolvenzaufkommen als im Vorjahr.
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[1] In diesem Bericht werden Daten genutzt, die bis zum 11. August 2022 vorlagen. Soweit nicht
anders vermerkt, handelt es sich um Veränderungsraten gegenüber der jeweiligen Vorperiode auf Basis
preisbereinigter sowie kalender- und saisonbereinigter Daten.

https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/Wirtschaftliche-Lage/2022/20220812-die-wirtschaftliche-lage-im-august-2022.html

Quelle:abo-bmwi.de

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