Berlin:
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland im Juli 2019
Die Industriekonjunktur entwickelt sich weiterhin schleppend; der Gegenwind von der
Auslandsnachfrage bleibt spürbar. Die aktuelle Datenlage lässt auch eine ruhigere Gangart im
Dienstleistungsbereich erwarten. Damit deutet sich für das zweite Quartal eine schwache
konjunkturelle Grundtendenz an. Die Produktion in der Industrie ist im Mai moderat gestiegen,
während die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe kräftig gesunken sind. Das Baugewerbe
verzeichnete ebenfalls spürbare Einbußen. Stützend wirken die steigenden Einkommen der privaten
Haushalte und die fiskalpolitischen Impulse. Am Arbeitsmarkt macht sich die schwächere Konjunktur
allmählich bemerkbar: Der Beschäftigungsaufbau setzt sich mit gedrosselter Dynamik fort. Die
Arbeitslosigkeit stagnierte im Juni.
Nach einer überraschend starken Entwicklung der deutschen Wirtschaft im ersten Quartal deuten die
aktuellen Konjunkturindikatoren auf eine verhaltene Entwicklung im zweiten Vierteljahr hin.[1] Die
Signale aus dem Dienstleistungssektor legen nahe, dass das starke Wachstum zum Jahresauftakt im
zweiten Quartal etwas nachlassen dürfte. Zudem hält die industrielle Schwächephase weiter an. Die
Industrieproduktion hat sich zuletzt zwar auf niedrigem Niveau etwas erholt, zeigt aber schon seit
dem Jahreswechsel 2017/18 eine abwärtsgerichtete Tendenz. Die schwache Auftragslage und das
eingetrübte Geschäftsklima signalisieren, dass die deutlich gedämpfte Industriekonjunktur anhalten
dürfte. Zuletzt verzeichnete das Baugewerbe ebenfalls kräftige Produktionsrückgänge, allerdings von
einem sehr hohen Niveau aus. Auch wenn die Dynamik am Arbeitsmarkt im Zuge der konjunkturellen
Abschwächung inzwischen nachlässt, kommen von ihm nach wie vor merkliche binnenwirtschaftliche
Auftriebskräfte. Die Beschäftigung nimmt weiter zu, wenn auch verlangsamt, und Einkommenszuwächse
stimulieren den privaten Konsum. Der Staat sorgt für fiskalische Impulse und fördert damit neben
dem privaten Konsum auch die staatlichen Konsum- und Investitionsausgaben. Nach der sich
abzeichnenden verhaltenen Entwicklung im zweiten Vierteljahr könnten die Auftriebskräfte wieder
stärker zum Tragen kommen, wenn sich das außenwirtschaftliche Umfeld wieder beruhigen würde.
Derzeit bestehen jedoch erhebliche Abwärtsrisiken, nicht zuletzt durch die Handelskonflikte, den
Brexitprozess und geopolitische Spannungen.
Die Weltkonjunktur befindet sich angesichts der genannten Risiken derzeit in einer Schwächephase.
Im April waren sowohl bei der globalen Industrieproduktion als auch beim Welthandel rückläufige
Entwicklungen zu beobachten. Die industrielle Erzeugung verlief dabei in den entwickelten
Volkswirtschaften und in den Schwellenländern schwach. Der Stimmungsindikator IHS Markit PMI für
die globale Industrie ging im Juni erneut zurück und lag unter seiner Wachstumsschwelle. Das ifo
Weltwirtschaftsklima hat sich, nachdem es zuvor viermal in Folge zurückgegangen war, im zweiten
Quartal zwar leicht erholt, blieb aber weiterhin unterkühlt. Vor dem Hintergrund dieser
Indikatorenlage und der Ballung globaler Risiken gehen die internationalen Organisationen von einer
weniger dynamischen, aber weiterhin aufwärtsgerichteten weltwirtschaftlichen Entwicklung aus.
Die gedämpften Impulse aus dem weltwirtschaftlichen Umfeld spiegelten sich zuletzt in den deutschen
Ausfuhren wider. So nahmen die Exporte von Waren und Dienstleistungen im Mai saisonbereinigt und in
jeweiligen Preisen um 0,3 % ab. Im aussagekräftigeren Zweimonatsvergleich April/Mai gegenüber
Februar/März ergab sich ein noch deutlicheres Minus von 1,8 %. Aufgrund konstanter Ausfuhrpreise
dürfte es in realer Rechnung in etwa genauso hoch ausfallen. Die Unternehmen gehen laut den ifo
Exporterwartungen, die im Juni weiter gesunken sind, für die kommenden Monate von keinem
Exportzuwachs mehr aus. Die Importe von Waren und Dienstleistungen sanken im Mai saisonbereinigt
und in jeweiligen Preisen um 1,4 %. Im Zweimonatsvergleich ergab sich ein Minus von 0,7 %. Die
Einfuhrpreise sind jedoch etwas gestiegen, sodass die Importe preisbereinigt deutlicher
zurückgegangen sein dürften. Der Leistungsbilanzüberschuss fiel in den ersten fünf Monaten des
Jahres 2019 mit 106,4 Mrd. Euro um 0,6 Mrd. Euro höher aus als im Vorjahreszeitraum.
Die Produktion im Produzierenden Gewerbe wurde im Mai leicht ausgeweitet (+0,3 %), nachdem im April
eine kräftige Abnahme verzeichnet worden war. Die rückläufige Tendenz in den letzten Monaten
spiegelt die Auftragsflaute und die weltwirtschaftliche Schwächephase wider. Innerhalb des
Produzierenden Gewerbes waren zuletzt zwei gegenläufige Entwicklungen zu beobachten: Während der
Bausektor im Mai einen deutlichen Rückgang hinnehmen musste, konnte die industrielle Produktion
einen moderaten Zuwachs verzeichnen. Im aussagekräftigeren Zweimonatsvergleich April/Mai gegenüber
Februar/März verbuchte auch die Industrie einen Produktionsrückgang von 1,2 %. Das Baugewerbe
verzeichnete einen noch deutlicheren Rückgang von 3,0 %. Innerhalb der Industrie wuchs im Gegensatz
zum April der Kfz-Bereich kräftig um 7,4 % und der Maschinenbau meldete ein leichtes Minus von -0,3
%. Die Entwicklung von Auftragseingangs- und Stimmungsindikatoren spricht dafür, dass die
Industriekonjunktur in den kommenden Monaten gedämpft bleibt. Nach einer Stabilisierung auf
niedrigem Niveau in den Monaten März und April haben die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe
im Mai mit -2,2 % gegenüber dem Vormonat noch einmal deutlich abgenommen. Damit liegen sie nunmehr
etwa 9 % unter ihrem durchschnittlichen Monatswert aus dem Jahre 2018. Das Geschäftsklima im
Verarbeitenden Gewerbe zeigt bereits seit dem Jahreswechsel 2017/18 einen spürbaren Abwärtstrend
und trübte sich im Juni nochmals etwas ein.
Die privaten Konsumausgaben nahmen im ersten Quartal 2019 überraschend kräftig um 1,2 % gegenüber
dem Vorquartal zu. Einen vergleichbar großen Zuwachs hatte es zuletzt im dritten Quartal 2011
gegeben. Die Indikatoren am aktuellen Rand deuten darauf hin, dass sich diese starke Entwicklung im
zweiten Quartal nicht fortsetzen wird: Die Umsätze im Einzelhandel (ohne Kfz) haben sich im Mai im
Vergleich zum Vormonat um 0,6 % verringert. Die Neuzulassungen von Pkw bei privaten Haltergruppen
konnten sich im Juni wieder etwas erholen (+1,3 %). Im gesamten zweiten Quartal 2019 gingen die
Neuzulassungen allerdings deutlich um 2,1 % zurück.
Der Beschäftigungsaufbau hat sich im Mai mit deutlich gedrosselter Dynamik fortgesetzt. Der
saisonbereinigte Zuwachs der Erwerbstätigkeit lag zuletzt bei 21.000 Personen, im ersten Quartal
waren es im Monatsdurchschnitt noch 45.000 Personen. In den Ursprungszahlen wurden im Mai 45,3 Mio.
Erwerbstätige ausgewiesen. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stieg im April
langsamer als im Durchschnitt der letzten Monate. Die Arbeitslosigkeit stagnierte im Juni
saisonbereinigt, in Ursprungszahlen ging sie um 20.000 Personen auf 2,2 Mio. zurück. Sondereffekte
durch die präzisere Erfassung von Betroffenen dürfte es nach einer starken Korrektur im Mai in
diesem Monat nicht mehr gegeben haben. Jedoch ist die Unterbeschäftigung im Juni zum dritten Mal in
Folge gestiegen (+6.000 saisonbereinigt), was darauf hindeutet, dass sich die konjunkturelle
Abkühlung allmählich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar macht. Die Frühindikatoren lassen
erwarten, dass dieser Trend in den kommenden Monaten weiter anhält. Die Wirtschaftskraft
strukturschwacher Regionen zu stärken, bleibt eine Herausforderung.
Quelle:bmwi.bund.de