Berlin:
Statement von Außenminister Heiko Maas anlässlich des Arria-Treffens des VN-Sicherheitsrats: „What´s next for Women, Peace and Security in Middle East and North Africa
Vor fünf Wochen habe ich den Irak besucht. Ich habe politische Gespräche geführt, in Bagdad und in Erbil. Ich hatte auch Gelegenheit, drei Frauen zu treffen. Diese Begegnung lässt mich seitdem nicht los.
Die drei Frauen stammen aus Mosul. Während der Terrorherrschaft des IS wurden zwei von ihnen von IS-Kämpfern vergewaltigt. Die dritte Frau war mit einem späteren IS-Kämpfer verheiratet.
Sie alle bekamen Kinder von diesen Männern und konnten sich schließlich in IDP-Camps in Sicherheit bringen.
Als sie nach der Befreiung Mosuls in ihre Heimatstadt zurückkehren wollten, wurden sie verstoßen. Ihre Männer waren tot. Ihre Kinder galten als IS-Bastarde.
Ihnen blieb nichts anders übrig, als in die Trostlosigkeit des Camps zurückzukehren. „Aber wir hören nicht auf zu kämpfen“, sagten sie mir.
Meine Damen und Herren,
diese Frauen stehen für unzählige Frauen, die ähnliches durchleben. Tag für Tag.
Wie etwa in Syrien, wo sexuelle Gewalt gezielt als Kriegswaffe eingesetzt wird. Das ist die perfide Realität fast aller Konflikte unserer Zeit.
Wenn wir von „Frauen, Frieden und Sicherheit“ reden, dann geht es nicht um abstrakte Szenarien. Es geht um menschliche Schicksale.
Und es geht darum, was wir tun können.
Was kann der Sicherheitsrat tun, um sexuelle Gewalt gegen Frauen in Konflikten zu verhindern?
Was können wir tun, um Frauen volle politische und wirtschaftliche Teilhabe zu ermöglichen?
Die kurze Antwort lautet: Mehr!
Unser Treffen heute findet deshalb bewusst zu Beginn unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat statt. Denn wir wollen die Weiterentwicklung und Umsetzung der Agenda 1325 zu einem Schwerpunkt machen.
Dem Sicherheitsrat stehen dafür viele Instrumente zur Verfügung – die er leider nicht genügend nutzt.
Wir haben uns deshalb vorgenommen, das Mandat der VN-Sonderbeauftragten durch eine Resolution zu stärken.
Und wir wollen Initiativen unterstützen, die Verbrechen gegen Frauen dokumentieren, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Denn fehlende Aufarbeitung befördert bis heute eine „Kultur der Straflosigkeit“.
Und wir werden diese und weitere Schritte im April zum Thema einer offenen Debatte des Sicherheitsrats machen.
Meine Damen und Herren,
es ist ein großer Fortschritt, dass immer mehr Länder im Mittleren Osten und in Nordafrika nationale Aktionspläne verabschieden.
Unser Treffen heute soll aber auch dazu dienen, nach der Umsetzung zu fragen.
Dafür sind wir auf die enge Zusammenarbeit mit Ihnen, mit Vertretern der Zivilgesellschaft, angewiesen.
Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass der Sicherheitsrat die Rolle von Frauen in Konflikten und bei der Friedenssicherung immer mitdenkt. Deshalb wollen wir den Empfehlungen der „Informal Expert Group of the Security Council on Women, Peace and Security“ mehr Sichtbarkeit und Gewicht verschaffen.
Und wir alle müssen uns fragen, was wir auf nationaler Ebene tun können.
In Deutschland hat der Generalbundesanwalt 2014 Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgenommen, die der IS in Irak und Syrien begangen hat.
Einen Schwerpunkt bilden dabei die schrecklichen Verbrechen gegen Jesidinnen. Unsere Justiz arbeitet dabei eng mit der zuständigen VN-Sonderbeauftragten zusammen.
Wir haben in den letzten Jahren zudem mehr als 1.100 Frauen und Kinder in Deutschland aufgenommen, die Opfer der IS-Verbrechen in Irak geworden waren.
Eine dieser Frauen war die heutige Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad. Viele werden sich an ihren eindringlichen Appell hier vor den Vereinten Nationen erinnern: „Ich flehe euch an, die Menschlichkeit nicht zu vergessen“.
Ähnliches haben die drei jungen Frauen in Irak zu mir gesagt. Diese Worte gehen mir nicht aus dem Kopf. Wir arbeiten zurzeit mit irakischen Partnern an Projekten, um den Stimmen von Frauen Gehör zu verschaffen. Es geht darum, Netzwerke zu schaffen, Teilhabe zu stärken, einen Prozess der Versöhnung zu starten.
Auch dafür brauchen wir die Unterstützung der Zivilgesellschaft. Ich freue mich deshalb auf einen möglichst intensiven Austausch mit ihnen – heute, in den nächsten zwei Jahren und darüber hinaus.
Wohin diese Arbeit führen kann, das konnte ich ebenso im Irak erleben. In Bagdad habe ich einen Co-Working Space besucht, der auch in New York oder Berlin hätte stehen können. Junge Irakerinnen haben dort völlig selbstverständlich mit ihren männlichen Kollegen an der Zukunft ihres Landes gearbeitet. Sie haben mit mir über Demokratie, über Medienfreiheit und über Gleichberechtigung diskutiert. Auch das ist eine Realität im Irak.
Eine Realität, die Hoffnung macht. Vor allem aber ist sie uns Antrieb. Antrieb, Frauen in Konflikten besser zu schützen. Ihre Rolle in Friedensprozessen zu stärken. Ohne Frauen kann es keinen nachhaltigen Frieden geben. Wer das einmal verstanden hat, für den wird die Zahl 1325 zum Code für eine bessere, friedlichere Welt.
Vielen Dank!
Quelle: auswaertiges-amt.de