Berlin – Skopje:

Rede StM Roth anlässlich der Pflanzung eines Baums am 10. Mai 2018 in Skopje

Ein Sprichwort aus Afrika sagt: „Wer Bäume setzt, obwohl er weiß, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.“ Mit diesem Baum setzen sie heute eine lebendige Verbindung zwischen beiden Städten. Und ich hoffe, dass viele Menschen in Skopje den Schatten dieses Baumes genießen und sich an ihm erfreuen werden.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte entstand 1948 nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und unter dem Eindruck der furchtbaren Verbrechen des Nationalsozialismus. Nürnberg kam im Naziregime eine besondere Bedeutung zu. Der Name der Stadt ist mit den Reichsparteitagen und den antisemitischen und rassistischen Rassegesetzen verbunden. Heute versteht Nürnberg dies als Auftrag, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass sich derartiges niemals wiederholt. Nürnberg engagiert sich auf vielfältige Weise für die Menschenrechte und die Würde aller Menschen – unabhängig von Herkunft, Ethnie, Glauben, sexueller Orientierung.

Die Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch Bäume in ganz Nürnberg fest zu verwurzeln und auch in die Partnerstädte zu bringen, wie heute hier nach Skopje, ist ein wunderbares Projekt.

Der Baum, den wir heute pflanzen, ist dem Artikel 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gewidmet: „Jeder hat bei der Feststellung seiner Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.“ Der Anspruch auf rechtliches Gehör bei jeglichem Gerichtsverfahren ist eine der Grundlagen eines funktionierenden Rechtsstaats.
Skopje hat sich diesen Artikel ausgesucht. Und ich finde, Herr Bürgermeister, Sie haben damit eine besonders gute Wahl getroffen. Denn in Ihrem Land hat sich in den vergangenen Monaten viel bewegt. Wichtige Reformen wurden angegangen. Die EU-Kommission hat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfohlen. Es bleibt aber noch viel zu tun. Die Bürgerinnen und Bürger müssen im Alltag von den Reformen profitieren. Ohne eine unabhängige Justiz und funktionierende Rechtsstaatlichkeit gibt es keine gute Zukunft für die ejR Mazedonien.

Wir pflanzen heute einen Gingko-Baum. Der Ginkgo-Baum ist für seine Robustheit bekannt. So soll in Hiroshima nur ein Jahr nach dem Abwurf der Atombombe wieder ein Gingko-Baum gewachsen sein. Wenn das Leben so kurz nach völliger Zerstörung wieder erwacht, gibt das Hoffnung. Der Gingko zeigt zugleich große Widerstandskraft gegen schlimmste Umweltbedingungen und ist insofern Vorbild für den Mut und die Ausdauer, die für die Verwirklichung der Menschenrechte nötig sind.
Denn auch heute, 70 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, gibt es noch viel zu tun: in zahlreichen Ländern der Welt werden Menschenrechte missachtet, der Handlungsspielraum von Menschenrechtsverteidigern und für die Zivilgesellschaft insgesamt wird immer weiter eingeschränkt. Genau deshalb ist es wichtig, dass wir uns gemeinsam für Menschenrechte einsetzen. Die Bürgerinnen und Bürger von Nürnberg und Skopje tragen aktiv dazu bei. Dafür danke ich Ihnen von Herzen. Dem Baum wünsche ich ein langes Leben als Symbol der Freundschaft und des Friedens in einem vereinten Europa.

 

Quelle:auswaertiges-amt.de

Von redaktion