Berlin:
Mitmachen und Forschen!
Hörgeräte im Labor entwickeln, Lebensstile auf dem Land und in der Stadt
erforschen oder zum Schutz der Bienen das Leben der Tiere mit Sensoren
verfolgen – das und noch viel mehr können Bürgerinnen und Bürger nun
gemeinsam mit Wissenschaftlern tun. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) wird 13 Projekte fördern, in denen Freiwillige bei der
Wissenschaft mitmachen. „Wir stärken mit unserer Förderung die
Zusammenarbeit von Bürgern und Wissenschaftlern“ sagt
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. „Die Projekte sollen
Bürgerforschung verbessern und methodisch voranbringen – und Antworten auf
gesellschaftlich wichtige Fragestellungen entwickeln.“
Das BMBF fördert die bis zu drei Jahre dauernden Projekte mit rund 5
Millionen Euro „Erstmalig fördern wir gezielt Projekte in der
Bürgerforschung“, betont Wanka. Die Resonanz auf die Förderrichtlinie war
riesig: Mehr als 300 Projekte wurden vorgeschlagen – das zeigt nach den
Worten der Ministerin das zunehmende Interesse an den
Bürgerwissenschaften. „Wir wollen die Bürgerforschung deshalb in Zukunft
noch weiter stärken.“
Eine neunköpfige Expertenjury hat dem BMBF die ausgewählten Projekte
empfohlen, das Ministerium wird jetzt die Förderung starten. „Sehr
erfreulich ist das große Themenspektrum bei den nun anlaufenden
Projekten“, sagt Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung
und Sprecher des Fachforums „Partizipation und Transparenz“ des Hightech
Forums. So sind Vorhaben aus den Sozialwissenschaften, dem Natur- und
Umweltschutz sowie dem Gesundheitsbereich vertreten. Auch Projekte aus der
Do-it-Yourself-Bewegung werden gefördert. „Bei der Auswahl war es uns
wichtig, eine Vielzahl unterschiedlicher Fragestellungen und
Beteiligungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.“ Die forschenden Laien
können zum Beispiel den Gesang der Nachtigall in der Großstadt aufnehmen,
den städtischen Anbau von Nahrungsmitteln untersuchen oder gemeinsam mit
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihre eigenen Forschungsfragen
erarbeiten.
Weiterführende Informationen zu den Projekten finden Sie unter:
https://www.bmbf.de/de/citizen-science-wissenschaft-erreicht-die-mitte-der-gesellschaft-225.html
und außerdem in Kürze auf der Internetseite
http://www.buergerschaffenwissen.de/
Mitglieder der Jury:
Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung (Vorsitz),
Markus Beckedahl, Journalist netzpolitik.org <http://netzpolitik.org/>
, Prof. Dr. Andréa Belliger, Leiterin Institut für Kommunikation &
Führung IKF, Dr. Leonhard Hennen, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Forschungsbereich Wissensgesellschaft und Wissenspolitik am Karlsruher
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Dr.
Ansgar Klein, Geschäftsführer des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches
Engagement, Dr. Sibylle Meyer, Leiterin der SIBIS GmbH – Institut für
Sozialforschung und Projektberatung, Dr. Christian Smoliner,
Abteilungsleiter Dialog- Wissenschaft-Gesellschaft im österreichischen
Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW),
Dr. Benno Pilardeaux, Leiter Kommunikation des Wissenschaftlichen Beirates
der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WGBU), Eick von
Ruschkowski, Direktor der Alfred Töpfer Akademie für Naturschutz.
Die ausgewählten Projekte sind (in alphabetischer Reihenfolge):
Verbundprojekt | Artenvielfalt erleben – Wie Naturforschung vor der eigenen
Haustür von interaktiven Webkarten profitiert, Leibniz Institut für
Länderkunde (Verbundkoordination)
Naturbegeisterte Bürger sammeln Tag für Tag wertvolle Informationen über
unsere heimischen Tier- und Pflanzenbestände. Damit sie ihre Beobachtungen
künftig hürdenfrei der Wissenschaft zur Verfügung stellen können,
arbeiten Forscherinnen und Forscher des Leibniz-Instituts für Länderkunde
und des Leibniz-Instituts für Wissensmedien gemeinsam mit dem Dachverband
Deutscher Avifaunisten an einer neuen Generation interaktiver Online-Karten
für das Webportal ornitho.de. Ziel ist, noch mehr Menschen für die
Erfassung der Artenvielfalt zu begeistern. Die neuen Webkarten sollen die
Eingabe von Daten erleichtern und ihre Darstellung und Weiterverarbeitung
verbessern. Zudem wird es möglich sein, die von Laienwissenschaftlern
eingespeisten Beobachtungen regional auszuwerten.
Bee Observer – BOB: Risiken und Gefahren für Honigbienen erkennen und
reduzieren, Universität Bremen
Bienen sterben weltweit in bisher nie dagewesenem Ausmaß. Dabei sind die
Insekten für den Erhalt des Ökosystems von zentraler Bedeutung. Von einer
abnehmenden Bestäubung von Nutzpflanzen durch Honigbienen wäre zudem die
Nahrungsmittelproduktion betroffen. Das Projekt Bee Observer der
Universität Bremen wird gemeinsam mit der Berliner Maker-Gruppe Hiveeyes
sowie Imkerinnen und Imkern deutschlandweit Bienenstöcke mit Sensortechnik
ausstatten, um Daten über den Zustand von Bienenvölkern aufzuzeichnen.
Mit Hilfe der Daten sollen Strategien für die Rettung der Bienen
entwickelt werden.
Verbundprojekt | CitizenSensor – Umweltanalytik für Jedermann, Fraunhofer
EMFT (Verbundkoordination)
Die Wasser- und Luftqualität vor der eigenen Haustür und die
Bodenqualität in heimischen Gärten lassen sich bislang nur mit einigem
technischen Aufwand messen. Um dies zu ändern, sollen im Forschungsprojekt
der Fraunhofer-Einrichtung für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien
(EMFT) zusammen mit Bürgerwissenschaftlerinnen aus der Maker-Szene
Messmöglichkeiten mit einer digitalen Schnittstelle entwickelt, getestet
und evaluiert werden. Mit der Technik sollen sich Umweltparameter schnell
und einfach erfassen lassen.
Landinventur: Ein sozialwissenschaftliches Citizen Science Projekt zur
kollektiven Raumbeobachtung, Thünen Institut für Regionalentwicklung
Auf der Suche nach einem guten Leben zieht es viele Menschen von der Stadt
auf das Land. Die Wissenschaft hat noch längst nicht alle Aspekte des
Landlebens untersucht. Deshalb wird das Thünen-Institut für
Regionalentwicklung zusammen mit Bürgerwissenschaftlern eine Web-Plattform
entwickeln, die Daten zum Landleben sammelt. Dadurch entsteht eine
alternative Landkarte des gesellschaftlichen Lebens auf dem Land.
Citizen Lab für Mikroplastik, Universität Marburg
Die Belastung der Umwelt durch Mikroplastik ist ein globales Problem. Mit
dem Citizen Lab für Mikroplastik an der Universität Marburg wird eine
Infrastruktur geschaffen, die es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht,
Analysen zur Plastikbelastung von Sedimenten zu erstellen. Von der Entnahme
der Proben, der statistischen Erfassung, der Mikroskopie bis hin zur
Organisation und Pflege einer öffentlich zugänglichen Datenbank sollen
alle Arbeitsschritte gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern in Angriff
genommen werden.
Clusterkopfschmerzen erforschen – Bürgerwissenschaftler schalten den Kopf
ein und die Schmerzen aus!, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof
Welche Trigger lösen anfallartige Kopfeschmerzen aus, so genannte
Clusterkopfschmerzen? Und wie können diese akut behandelt werden? In
diesem Forschungsprojekt der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof
werden Betroffene zu Erforschern ihrer eigenen Beschwerden. Gemeinsam mit
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden Forschungsfragen
entwickelt und abgeleitet. Indem Betroffene kontinuierlich ihre Anfälle
auf einer Web-Plattform melden und sich aktiv an der Auswertung der Daten
beteiligen, soll ein ausführliches Bild über die bislang nur wenig
erforschten Clusterkopfschmerzen entstehen.
Forschungsfall Nachtigall: Ein Citizen Science Projekt zur Natur- und
Kulturwissenschaft einer Gesangslegende, Museum für Naturkunde Berlin
Der Gesang der Nachtigall begleitet uns in Land und Stadt – und ist bislang
doch nicht ausreichend erforscht. Noch viele Fragen sind offen: Singen
Nachtigallen in Dialekten, passen sie sich ihrer Umgebung an? Wo siedeln
Nachtigallen und wo brüten sie? Welchen Einfluss haben Nachtigallen auf
unsere Kulturgeschichte – und wie hat Gesang Musik und Literatur
beeinflusst, welche Sehnsüchte weckt der Singvogel? Diesen und anderen
Fragen wird das Museum für Naturkunde Berlin gemeinsam mit Berliner
Bürgerinnen und Bürgern nachgehen und auf diese Weise mehr über die
Nachtigallen in der Stadt herausfinden.
Hear how you like to hear – Selbstbestimmtes Hören für Menschen mit und
ohne Hörbeinträchtigung, Fraunhofer IDMT
Obwohl mehr als die Hälfte der Bevölkerung über 65 Jahren von
Hörbeeinträchtigungen betroffen ist, greifen nur ein Viertel der Menschen
zu Hörgeräten. In interdisziplinären Teams aus Bürgerinnen und
Bürgern, Wissenschaftlern, Künstlern und Makern soll in dem
Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie
IDMT erforscht werden, wie Hörhilfen für selbstbestimmtes Hören
aussehen, sich anhören und anfühlen sollten, damit sie in
Alltagssituationen schwerhörigen Menschen optimal helfen.
Verbundprojekt | OpenLab.net – Make Science, science2public
(Verbundkoordination)
Ein Verbund aus der Maker- und Lab-Bewegung in Halle (OpenLab.net), wird in
vier Innovations-Laboren gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern
Forschungsfragen aus den Bereichen Sensorik, virtuelle Realität und
Nachhaltigkeitskommunikation nachgehen. Die Bürger bestimmen die
Forschungsfrage mit, beteiligen sich am gesamten Forschungsprozess und
können auch selbst eigene Projektanträge stellen. Kreative Methoden zur
Bearbeitung von wissenschaftlichen Fragestellungen werden eingesetzt, um
wissenschaftliche Kompetenzen aufzubauen.
Verbundprojekt | Patient Science zur Erforschung Seltener Erkrankungen –
eine bürgerwissenschaftliche Studie am Beispiel der Mukoviszidose,
Fraunhofer ISI (Verbundkoordination)
Mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer seltenen
Erkrankung. Dazu zählt auch die Mukoviszidose. In Deutschland sind rund
8.000 Menschen von ihr betroffen, jedes Jahr kommen rund 200 Kinder mit der
Krankheit auf die Welt. Im Rahmen der patientenwissenschaftlichen Studie
wird das Fraunhofer Institut für System und Innovationsforschung gemeinsam
mit dem Universitätsklinikum Frankfurt an Lösungen zum Umgang mit der
Krankheit im Alltag arbeiten. Patienten und ihre Angehörigen sind während
des Forschungsprozesses aktiv einbezogen: Sie bestimmen das
Forschungsdesign mit und spielen auch bei der Durchführung und Auswertung
der Studie eine tragende Rolle.
Verbundprojekt | Repara(kul)tur – Alltagsweltliche Realisierung und
gesellschaftliche Verbreitung von Praktiken des Reparierens und
Selbermachens, Verbundkoordination:
TU Berlin, Zentrum Technik und Gesellschaft (Verbundkoordination)
Die Herstellung vieler Produkte sowie heutige Konsummuster sind mit hohen
sozialen und ökologischen Kosten verbunden. Ressourcen könnten
eingespart, Abfall vermieden werden. Das Zentrum Technik und Gesellschaft
an der Technischen Universität Berlin will zusammen mit Akteuren aus der
Repair- und Do-it-yourself Bewegung der Frage nachgehen, wie soziale
Praktiken des Reparierens und Selbermachens erfolgreich angeeignet und im
Alltag der Menschen integriert werden können. Ziel des Projektes ist,
hierfür den Wissenstransfer zu stärken und Strategien zu entwickeln, die
Kultur des Reparierens insgesamt zu stärken.
Verbundprojekt | Städtische Agrikultur: gemeinsam innovativ entwickeln –
nachhaltige Integration und Vernetzung von Nahrungsmittelkleinproduktionen,
Fraunhofer UMSICHT (Verbundkoordination)
Die Versorgung in Städten und Kommunen wird vielerorts bereits durch
lokale Aktivitäten unterstützt: vom Balkongarten bis zur Stadtfarm, von
mobilen Gärten bis zur Aquaponikanlage. Betrieben werden sie meist von
engagierten Bürgern. Fraunhofer UMSICHT und der Wissenschaftsladen Bonn
wollen gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern Technologien und
Produktionsanlagen zugänglicher gestalten und Strategien für eine bessere
Nahrungsmittelproduktion in der Stadt erarbeiten. Dazu werden in zwei
Erntefolgen am Standort Oberhausen und Bonn Obst, Gemüse und andere
Nahrungsmittel erzeugt und unter ökologischen, wirtschaftlichen und
sozialen Aspekten betrachtet.
Verbundprojekt | Transformationsstadt: Bürger forschen für ein Gutes
Leben, Verbundkoordination: Universität Wuppertal (Verbundkoordination)
Wie sieht das gute Leben in der Stadt und im Quartier aus? Wie können
Bürgerinnen und Bürger erfassen, was lokaler Wohlstand für sie
bedeutet? Transformationsstadt, eine Initiative aus Wissenschaft und
Zivilgesellschaft in Wuppertal, möchte gemeinsam mit Bürgerinnen und
Bürgern ein benutzerfreundliches, offenes Datensystem entwickeln. Ziel ist
es, die lokale Lebensqualität in Quartieren systematisch zu erfassen.
Dadurch soll ein Bild entstehen, wie sich Quartiere entwickeln und welche
Anforderungen bei der Stadtplanung zu berücksichtigen sind. Das
Datenportal kann bundesweit von Städten und Quartieren genutzt werden und
soll Bürgerinnen und Bürgern selbst ermöglichen, Stadtforschung zu
betreiben.
**Bei Interesse an den Projekten kontaktieren Sie bitte:**
DLR-PT, Büro Wissenschaftskommunikation
Rosa-Luxemburg-Str. 2
10178 Berlin
Telefon +49 30 67055-709
buergerwissenschaften@dlr.de <mailto:buergerwissenschaften@dlr.de>
Quelle: bmbf.bund.de